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Wo ist Lumpazivagabundus?

Wo ist Lumpazivagabundus? Diese Frage stellten sich 81 Kinder Anfang August 2007. Doch wer oder was ist Lumpazivagabundus? Ein Geist oder ein Landstreicher oder ein Kind? Wie immer ließ das Thema der Schachen-Freizeit einige Fragen offen. Und so war die Spannung der Teilnehmer kaum zu bremsen, als sie sich am 13. August morgens um neun in die Busse setzten und in Richtung Schwäbische Alb fuhren.

Ihr Ziel liegt inmitten des romantischen Lautertals bei Münsingen. Denn dort befindet sich der Ort, wo sich Himmel und Erde berühren sollen. Wo Träume wahr werden und wo sich vielen Kindern und Betreuern das Herz öffnet. Und genau von diesen Menschen möchte ich in diesem Bericht erzählen. Ich möchte Ihnen versuchen zu erklären, was der Schachen ist. Ich werde versuchen, die wunderschönen Tage der Schachen-Freizeit 2007 zusammen zu fassen.

Seit Februar liefen die Vorbereitungen für die Freizeit. Mehrere Treffen und ein Wochenende lagen hinter den knapp dreißig Betreuern. Für viele von uns ist es die Möglichkeit, zwischen dem normalen Alltag mal etwas kreativ zu sein. Und kreativ muss man sein, um 81 Kindern 10 Tage Spaß und Abenteuer zu bieten. Aber da unser Team schon seit fast 8 Jahren zusammenarbeitet, war es kein Problem, das Programmraster zu füllen.

Und dann kam er… der heilige Moment aller Schachianer. Wenn man zum ersten Mal im Jahr die kurvige Serpentine entlang fährt. Und über den kleinen Hügel zum ersten Mal den Berg Schachen sieht. Für viele ist es nur ein Pfadfinderbergheim des VCP Baden-Württemberg. Und für manch andere nur ein Zeltplatz inmitten von Feldern und Wald. Doch für uns ist dieser Ort magisch! Seit vielen Jahren hat sich eine Erklärung festgesetzt: Da berühren sich Himmel und Erde! Und wenn man einmal den Sternenhimmel der Alb gesehen hat und das leise Knirschen des Lagerfeuers oder die eindrucksvolle Kulisse von 100 singenden Menschen: Dann weiß man, warum man dem Himmel dort so nahe ist!

Es begann am Aufbauwochenende mit einem Regentag als Willkommensgruß. Doch unsere Motivation konnte darunter nicht leiden. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass wir den Albregen ertragen haben. In fast Rekordzeit stellten wir die Zelte auf und errichteten die Zeltstadt. Zum Glück blieb unser Wochenende sehr stressfrei und so hatten wir Betreuer desöfteren Zeit, uns zu erholen und zu entspannen. Ruhige Abende und eine Mitarbeiterolympiade gaben uns die Möglichkeit, Kraft zu tanken.

Denn die wurde gebraucht, denn Montag war es dann soweit: 81 Kinder stiegen aus den Bussen und binnen einer Sekunde veränderte sich das Lagerleben. Einteilung in die Zeltgruppen. Das Vorstellen der Betreuer. Für jede Gruppe sind zwei oder drei Betreuer die Ersatz-Eltern. Dann Auspacken und da kann schon mal die erste Träne fließen, wenn man seine Tasche nicht gleich findet. Dann zum ersten Mal zusammen Essen. Zum ersten Mal mit den Lagerregeln bekannt machen. Und das ist nicht so leicht. Viele Betreuer kriegen dann schon mal einen Muskelkater beim Hand heben, was eigentlich das Zeichen für Ruhe ist. Aber ohne Chaos beim Essen wäre es halb so toll. Denn selbst das Essen ist auf dem Schachen ein Erlebnis.

Am gleichen Tag startet der erste Abend mit dem Eröffnungsabend und dem Faden. Faden – so wird unser Theaterstück genannt, in dem die Betreuer für die Kinder spielen. In diesem Jahr hieß es ‚Wo ist Lumpazivagabundus?‘. Und das fragten Fatas, der Geist der Freude, Tapri, der Geist der Fantasie, Fungos, Geist der Weisheit und Ertas, der Geist der Trauer. Denn Lumpi, der Geist der Jugend, ist wichtig für die Geisterwelt und die Kinder aller Welt. Als plötzlich ein Brief eintrifft, in dem berichtet wird, dass der Hass Lumpi entführt, beginnt die abenteuerliche Reise. Und so erlebten die Teilnehmer jeden Abend einen Ausschnitt aus dem Faden. Sie lernten den Neid kennen. Und fanden Kinder, die den Hass in sich trugen, und zu guter letzt den Hass persönlich. Zum Happy-End kam es am letzten Tag, als die Liebe den Hass vertrieb und unsere Geister Lumpi befreien konnten.

Auch sonst waren die Schachen-Tage gefüllt mit spannenden Ereignissen. Zum Beispiel die Wanderung zum Haupt- und Landesgestüt Marbach. Wo wir unterwegs die Möglichkeit hatten, das WUNDERSCHÖNE Lautertal zu sehen. Interessant war auch die Führung durch das Gestüt. Und so ging es weiter mit Workshops, Lagerrallye, Geländespiel bei Tag und Nacht usw. Besonders toll war aber die Foto-Stadtrallye, wo man verrückte Aufgaben erfüllen musste. So mancher Münsinger Einwohner war etwas verwundert, als Kinder an seiner Tür klingelten und sein Wohnzimmer fotografieren wollten. Auch die Survival-Tour mit einer Outdoor-Übernachtung unter freiem Himmel wird vielen unvergesslich bleiben. Zum ersten Mal gab es den freien Abend, als sich unser Lagerplatz in die Nachtwelt von Las Vegas verwandelte und man die Auswahl hatte, im Casino sein Schachen-Geld zu vermehren oder sich von der Wahrsagerin die Zukunft prophezeien konnte! Natürlich ist dieser Bericht zu kurz, um all die tausend schönen und magischen Momente aufzuzählen. Am letzten Abend gab es wieder das traditionelle Abschlussfeuer, wo wieder viele Tränen flossen und man bedauerte, dass die Zeit mal wieder so schnell vorbei ging.

Aber diesmal konnte man noch etwas was anderes am Feuer spüren. Seit Jahren wurde der Schachen von einem bewährten Team von alten Hasen geführt. Doch in diesem Jahr hatten die jüngeren Betreuer die Möglichkeit, aus dem Schatten heraus zu treten, und das Ruder in die Hand genommen. Das erfüllt zwar einen alten Hasen mit Wehmut, weil man oft nicht los lassen kann. Aber an diesem Abend wurde mir klar, dass eine neue Schachen-Zeit angebrochen ist. Eine neue Generation Mitarbeiter wird kommen. Viele waren jahrelang als Kind dabei und kennen den Schachen-Zauber und tragen ihn in ihren Herzen. Sie werden das Erbe von uns alten übernehmen und genauso weiter machen.

Für mich war es dieses Jahr das letzte Mal. Wenn ich an meine Schachen-Jahre zurück denke, überkommt mich ein warmes Gefühl. Ein Gefühl, das ich tief in meinem Inneren speichern werde. Es kommen mir Bilder von vielen lachenden Gesichtern in den Sinn. Menschen, mit denen man ‚Voll das Leben‘ erleben durfte. Mit denen man gestritten, geweint und gelacht hat. Kinder, die ein Strahlen auf den Gesichtern hatten, und eine unbeschreibliche Gemeinschaft. Ich werde niemals den Sternenhimmel vergessen und nie das Gefühl, dass man dem Himmel so nahe ist.

Schachen? Nur die Menschen, die dabei waren, werden verstehen, was es bedeutet, ein Teil vom Schachen gewesen zu sein. Und egal, wo man ist oder egal wie lange man sich nicht mehr gesehen hat, man bleibt mit der Schachen-Familie verbunden. Ich möchte Danke sagen an alle, die mit mir diese schöne Zeit gestaltet haben. Und ich wünsche allen zukünftigen Schachianern die gleiche unbeschreibliche Begeisterung und Freude. Und bis wir uns wieder sehen, möge Gott seine schützende Hand über Euch halten!

Lars Tönnies

Schachen … da berühren sich Himmel und Erde

Liebe Schachenfreunde,

nach 15 Jahren Schachen ist es für mich der Punkt gekommen, das Zepter an die nächste Generation weiter zu geben und in meinen Erinnerungen und Erfahrungen zu schwelgen. Doch was war in vergangenen Jahren und warum ist der Schachen für viele so bedeutungsvoll?

Eine Zeit, der ich viel zu verdanken habe, geht zu Ende. Ich habe viel gelernt, wurde geprägt, viele nette Menschen kennen gelernt und Freunde fürs Leben gefunden. Diese Zeit hat bei mir Spuren hinterlassen und ich in Ihr. Spuren, die sicherlich verblassen aber Sie werden ewig getragen sein.

Jedes Jahr habe ich mich ein Jahr lang mit dem Schachen beschäftigt. Es fand das erste Interessententreffen statt, dann noch ein zweites Vorbereitungstreffen und dann das beliebte Vorbereitungswochenende. Beim Wochenende wird das komplette Programm sowie die Zeltgruppen festgelegt. Es werden Protokolle geschrieben, Materiallisten erstellt,… zig Emails hin- und hergeschrieben und so manches Postfach kam an seine Grenzen. Es folgen zwei weitere Treffen, beim letzten Grillen wir immer. Dann meist an einem schönen Tag im August geht es los. Wir starten in Bonfeld oder Fürfeld und an die dreißig Mitarbeiter rollen der Schwäbischen Alb entgegen.

Das Zeltlager fängt an … zuerst die Mitarbeiter, die die Zeltstadt erbauen und dann die Teilnehmer, die zehn unvergessliche Tage auf dem Schachen, einem idyllisch gelegenen Zeltplatz auf der Schwäbischen Alb, oberhalb des Großen Lautertals nahe Münsingen im Kreis Reutlingen verbringen. Zehn Tage, gefüllt von Geländespielen, Stadtrallyes, Kanu fahren, Ausflüge, Discos, Lieder am Lagerfeuer, Lagergeschichten,… uvm.

Ich fahre bewusst immer denselben Weg. Marbach-Wasserstetten-Buttenhausen. Warum? Weil ich nicht über Eglingen fahren kann. Es ist wie ein innerer Zwang. Etwas tief in mir sagt: „Jörg, fahr über Buttenhausen!“. Die innere Stimme will die enge Serpentine nehmen, will den ersten dann den zweiten Gang hoch röhren. Wenn ich den ersten Anstieg der Serpentine nehme, dann kribbelt es in mir. Eine innere Stimme sagt, dass ich bald da sein werde – in meiner zweiten Heimat. Ich werde „Ihn“ sehen. Die kommenden Kurven nehme ich schwungvoll, dann nach dem letzten Anstieg ist er da – der SCHACHEN.

Ein Gefühl voller Freude, Glück und Heiterkeit überkommt mich. Ich strahle übers ganze Gesicht. Gleich habe ich es geschafft, gleich bin ich oben „am Berg“. Ich steige aus, ich kann es kaum erwarten, die letzten Meter über den Kies zu laufen und an meinen Lieblingsstellen an zu kommen. Während ich hoch laufe fällt mein Blick nach links – sind Sie wohl da? Noch während ich mir diese Frage stelle, sehe ich zwei lachende Gesichter. Sie sind da! Heidi und Johann Arnold (Platzwart) nehmen mich freudestrahlend in Empfang. Nach einer herzlichen Begrüßung und der ersten Tasse Kaffee folgt dann die eine oder andere Frage. Die Antwort kommt im gewohnt herzlichen „des goat schooo!“. Ach, wie habe ich das alles vermisst.

Doch wie kam ich eigentlich auf den Schachen und welche Bedeutung hat er für mich und so viele andere von Euch? Angesprochen wurde ich vor 15 Jahren – von dem damaligen Jugendreferenten Christoph Lutz. Am Anfang dachte ich, jo geh ich mal mit, kann ja nicht schaden. Aber dann hat sich durch den Berg mein Leben verändert. Nicht nur durch Ihn, sondern auch durch alle Menschen mit denen ich zu tun hatte. Im ersten Jahr lernte ich Texte kennen, die mich seitdem begleiten und die ich nur mit dem Schachen in Verbindung bringe. Zum einen ist das der Text eines Gebetes -viele von Euch werden nun schmunzeln, denn ihr wisst genau, was ich meine:

Du Urgrund aller Liebe, Dir bringen wir unsere Beziehungen, hilf uns zum gegenseitigen verstehen und zum Durchstehen von besonderen Belastungen.

Zum anderen ein Lied, das Dietrich Bonhoeffer vor seinem Tod geschrieben hat. Während ich das nun schreibe, spüre ich wie meine Augen feucht werden. Als 16 Jähriger war ich mir über die Bedeutung nicht bewusst, aber Christoph brachte Sie uns bei … und seitdem ist das „das Schachenlied“ für mich.

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Vielleicht werde ich irgendwann in ein paar Jahren mal zu einem Jubiläum oder Ähnlichem auf dem Schachen sein und vielleicht ist Christoph, der Mann der mir alles lehrte und beibrachte auch da. Mit dabei seine Frau Eri und seine Kinder Anna und David. Dann hat er sicher seine Gitarre dabei und irgendwann nachts am Lagerfeuer nickt er mir zu – das ist das Zeichen. Jetzt kommt das Lied.

Und dann wünschte ich mir von ganzen Herzen, dass alle lieben Schachenmitarbeiter dabei sein werden (und net bloß zwei 😉 ) …darunter vielleicht einige, wovon ich mir 100%ig sicher bin, dass Sie diesem Lied ebenfalls diese besondere Bedeutung beimessen. Beim ersten Ton brauch ich beispielsweise André, Lars, Marco, Dinsche, Bente, René und Elia uvm. nur anschauen und ich weiß, dass wir genau da sind, wo sich Himmel und Erde berühren. Das sind dann diese wortlosen Blicke, die wir uns zuwerfen und uns verstehen.

Was ich Euch allen mit diesen Zeilen sagen möchte: Die letzten 15 Jahre waren super wertvoll für mich! Und ich bin froh, Euch alle kennen gelernt zu haben. Egal wann, wie lange ob als Teilnehmer oder als Mitarbeiter ihr auf dem Schachen gewesen seid. Ich weiß, dass ihr den Zauber des Berges gespürt habt. Ihr hattet Momente, die ihr nie mehr vergessen werdet. Ebenso die Gemeinschaft, das knisternde Lagerfeuer und den leuchtenden Sternenhimmel.

Mein innigster Wunsch an alle: behaltet diese Momente in Eurem Herzen. Egal, wo ihr seid und egal wann ihr daran denken werdet: der Schachen ist der Ort an dem sich Himmel und Erde berühren und DU bist ein Teil der Schachenfamilie.

Nadine Weißenberger, Stephan Sohn und Dominik Stirn, die den Schachen weiterführen werden, wünsche ich mit einem super Team, einem herzlichen Platzwartehepaar, der romantischen Natur der Schwäbischen Alb, den freundlichen „Ureinwohnern“ und dem Herzblut aller die dort oben sind alles alles Gute.

Und bis wir uns wieder sehen – egal wann und egal an welchem Ort, wird Gott seine schützende Hand über uns halten.

Euer Jörg